10.01.2023: Interview mit Ausbildungsleitung Kimberley Millbaier - Westfalen AG

"Unternehmen müssen die Azubis auch von sich überzeugen!"

Interview mit Ausbildungsleitung Kimberley Millbaier rund um Azubi-Mangel, Ausbildung und die "Generation Z"

 

Ausbildungsplätze - früher waren sie Mangelware, heute ist das Gegenteil der Fall. Laut einer Studie des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) konnten im Jahr 2021 rund 42 Prozent aller IHK-Ausbildungsbetriebe nicht alle vorhandenen Plätze mit Azubis besetzen. Auch bei der Westfalen Gruppe gibt es nicht mehr – wie noch vor einigen Jahren – dutzende Bewerbungen auf eine Stellenausschreibung. Das Unternehmen engagiert sich auch deshalb mehr denn je im Recruiting. Ausbildungsleiterin Kimberley Millbaier stellt sich im Interview Fragen rund um eine sich verändernde Ausbildungswelt, die Wünsche der Generation Z und erklärt, warum Westfalen für Azubis eine gute Wahl für den Berufsstart ist.

Die Tagesschau titelte „Deutschland gehen die Azubis aus“, das Handelsblatt schrieb „Azubi-Mangel hält die Wirtschaft im Würgegriff“. Das klingt dramatisch. Wie sieht die Situation bei der Westfalen Gruppe aus?

Es ist in der Tat so, dass auch uns als Westfalen Gruppe die Problematik Azubi-Mangel durchaus bekannt ist. Vor einigen Jahren hatten wir als beliebter Arbeitgeber noch hunderte Bewerbungen. Heute sind es je nach Job höchstens ein Drittel davon. Generell ist es so, dass Ausbildungsplätze im kaufmännischen Bereich immer noch stärker nachgefragt werden, im gewerblich-technischen Bereich zum Beispiel bei der Ausbildung zum Berufskraftfahrer ist der Mangel deutlicher. Da haben wir auch für Sommer 2023 noch immer freie Plätze zu besetzen. Generell lässt sich sagen, dass es zunehmend schwieriger für Unternehmen wird, alle freien Ausbildungsplätze zu besetzen. Da ist Westfalen leider keine Ausnahme. Unternehmen müssen mittlerweile die Azubis von sich überzeugen und nicht mehr nur umgekehrt. Gute Azubis können sich mittlerweile unter zahlreichen möglichen Stellen entscheiden.

Ist das eine Auswirkung des demographischen Wandels oder woran liegt es? 

Es gibt verschiedene Faktoren, die eine Rolle spielen. Der demographische Wandel ist nur ein Aspekt. Auch das jeweilige Berufsbild und die Region spielen eine Rolle. Alle eher handwerklich/gewerblich-technisch ausgerichteten Berufe wie eben Berufskraftfahrer sprechen leider weniger Jugendliche an. Nicht umsonst haben auch viele Handwerksbetriebe generell Probleme, überhaupt Auszubildende zu finden. Im Bereich IT dagegen liegt es eher daran, dass in unserer digitalisierten Welt immer mehr ITler gesucht werden, viele Ausbildungsplätze auf dem Markt sind und die Jugendlichen unter zahlreichen Angeboten wählen können.

Auch die jeweilige Region macht es leichter oder schwieriger freie Plätze zu besetzen. Beispiel Münster: Die Westfalen Gruppe ist hier einer der größten Arbeitgeber. Wir sind in den Köpfen von Schülern und auch Eltern. Wir haben viele Kooperationen mit Schulen und auch dadurch werden Azubis auf uns aufmerksam und bewerben sich dann bei uns, weil sie uns kennen. In anderen Gegenden, wo wir vielleicht mit kleineren Niederlassungen vertreten sind, müssen wir mehr auf uns aufmerksam machen. Es ist generell so, dass das Recruiting bei uns mittlerweile das ganze Jahr läuft.

Was tut Westfalen denn alles, um Azubis anzusprechen und im besten Falle sogar für eine Ausbildung zu begeistern? 

Beim Recruiting sind wir sowohl digital als auch persönlich unterwegs, um Jugendliche über eine Ausbildung bei uns zu informieren. Mit unserer Azubi-Kampagne „Du das Talent, wir die Möglichkeiten“ informieren wir rund um unsere Ausbildung. Im Online-Bereich ist nach wie vor unsere Website westfalen.com der Dreh- und Angelpunkt, über den sich der Großteil der Jugendlichen über eine Ausbildung bei Westfalen schlau macht. Zudem sind wir auf allen gängigen Azubi-Portalen vertreten wie Ausbildung.de, AzubiYo oder Aubiplus. Natürlich sind wir auch auf Social Media unterwegs. Unsere Westfalen Azubis betreiben z. B. einen eigenen Instagram-Kanal, in dem sie Einblicke in Westfalen und ihren Arbeitsalltag geben. 

Aber im Endeffekt geht nichts über den persönlichen Kontakt. Das merken wir vor allem bei unseren Kooperationen mit Schulen. Dort bieten wir z.B. Bewerbungstrainings an oder Standortführungen. Dieses Engagement wollen wir zukünftig auch verstärkt ausbauen. Zudem sind wir auf Ausbildungsmessen vertreten, sprechen dort mit interessierten Jugendlichen und deren Eltern. Denn die Eltern sind nach wie vor für Schüler*innen die wichtigsten Berater und deshalb wollen wir auch die Eltern von uns überzeugen.

Ein ganz wichtiger Punkt ist auch unser Angebot von Schülerpraktika. Oft wissen Schüler*innen gar nicht so genau, was sich hinter einem Berufsbild verbirgt. Bei einem Praktikum erleben sie live: was ist das für ein Unternehmen, was arbeiten dort für Menschen, was steckt hinter dem Job, den ich vielleicht ergreifen möchte? Die Schüler*innen tauschen sich dann auch mit unseren Auszubildenden aus. Unsere Westfalen Azubi-Community ist da ein großer Pluspunkt. Die sind eine wirkliche Gemeinschaft, gehen zusammen mittagessen, stemmen soziale Projekte gemeinsam und die ein oder andere Freundschaft ist da auch schon entstanden.

Unter dem Motto „Du das Talent, wir die Möglichkeiten“ wirbt die Westfalen Gruppe um Auszubildende. Für die Kampagne standen unsere Azubis vor der Kamera.
Unter dem Motto „Du das Talent, wir die Möglichkeiten“ wirbt die Westfalen Gruppe um Auszubildende. Für die Kampagne standen unsere Azubis vor der Kamera.
Jedes Jahr starten rund 20 neue Auszubildende bei Westfalen ins Berufsleben.
Jedes Jahr starten rund 20 neue Auszubildende bei Westfalen ins Berufsleben.
Wer eine Ausbildung zum Berufskraftfahrer machen möchte, hat bei Westfalen gute Chancen.
Wer eine Ausbildung zum Berufskraftfahrer machen möchte, hat bei Westfalen gute Chancen.

„Gar nicht so genau wissen, was man will“…Das klingt ein bisschen nach dem „lost sein“ also „ahnungslos, verloren, unentschlossen sein“, das man dieser Generation nachsagt. Du bist als Ausbildungsleiterin ja nah dran - wie tickt die Generation Z generell?

Ich spreche oft mit Jugendlichen, die mir in der Tat bestätigen, dass sie sich gerade auch bei der Berufswahl „lost“ fühlen. Das ist aber auch kein Wunder. Anders als früher haben die Jugendlichen heute eine riesige Auswahl an Möglichkeiten. Es gibt allein über 300 Ausbildungsberufe in Deutschland. Woher soll ich da klar wissen, was das richtige für mich ist und wo meine Stärken sind? Zudem ist auch nicht bei jedem Jobtitel klar, was die wirklichen Arbeitsinhalte sind. Könnten wir aus dem Stehgreif sagen, was ein „Kaufmann/Kauffrau für Digitalisierungsmanagement“ oder ein „Zerspanungsmechaniker:in Einsatzgebiet Drehmaschinensysteme“ macht? Durch die Corona-Pandemie gab es auch lange Zeit kaum Schülerpraktika, um sich auszuprobieren und konkrete Einblicke in Berufe zu gewinnen. Die Berufsbilder bleiben abstrakt und viele entscheiden sich dann dafür, erstmal weiter Schule zu machen oder zu studieren, um Zeit zu gewinnen, in der Hoffnung, dass der eigene Weg dann klarer wird.

Es herrscht also viel Unsicherheit in der Generation Z?

Auf der einen Seite ja, auf der anderen Seite erlebe ich diese Generation aber auch als sehr klar. Die Einstellung zur Arbeit hat sich gewandelt. Die Jugendlichen sind bereit, viel zu leisten, sich zu engagieren, aber niemand will sich „krank arbeiten“ und abends ausgebrannt auf dem Sofa liegen. Da sind die Jugendlichen vielleicht ehrlicher als wir. Arbeit ist nicht mehr alles im Leben, ihnen sind viele andere Dinge auch wichtig: Privatleben, Gesundheit, soziales Engagement oder Themen wie Klimawandel und die Herausforderungen der Zukunft. Die Jugendlichen möchten in einem guten Umfeld Spaß an der Arbeit haben, mitgestalten. Sie hinterfragen auch selbstbewusster Dinge. Ein einfaches „Das haben wir immer so gemacht!“ reicht da nicht als Begründung. Und das hat auch für eine Entwicklung eines Unternehmens wie Westfalen viele Vorteile. Denn nur so kann man sich verbessern und nach vorne gehen.

Die Jugendlichen sind zudem flexibler. Es ist eben nicht mehr normal, dass ich irgendwo eine Ausbildung absolviere und danach bis zur Rente im Unternehmen bleibe. Man will sich weiterentwickeln, schauen, was die (Arbeits-)Welt noch so bietet. Viele Azubis nehmen nach der Ausbildung z.B. ein Studium auf, um sich weiterzubilden. Einige kommen dann auch zurück in unser Unternehmen und sagen: „Jetzt habe ich Erfahrungen gemacht und möchte wieder bei Westfalen arbeiten“. Das freut uns natürlich.

Generell ist das eine Generation, die viel mit Veränderungen lebt. Vieles ist komplett anders als noch vor 10, 20 Jahren. Nur ein Beispiel: Die Kommunikation ist schneller geworden, keine Briefe stattdessen TikTok. Das macht etwas mit den Jugendlichen. Sie wollen z.B. auch von uns als Ausbilder*innen schneller Antworten oder Feedback, weil sie Schnelligkeit in der Kommunikation gewohnt sind. Wertschätzung ist zudem ganz wichtig für diese Generation und wird auch eingefordert. Natürlich muss auch die Bezahlung stimmen.

Wir haben über die Wünsche von Azubis an uns als Arbeitgeber gesprochen. Was wünschen wir uns denn von potenziellen Auszubildenden?

Engagement ist ein wichtiger Faktor. Wir wünschen uns Jugendliche, die interessiert sind und die motiviert mit anpacken, die bereit sind, Neues zu erlernen und darauf auch neugierig sind.  Gerade in einem Transformationsprozess, wo viele Dinge sich auch in unserem Unternehmen wandeln, ist Mitgestalten gefragt. Wir arbeiten in einem Unternehmen mit engem Kundenkontakt. Da muss ich offen sein, auf Menschen zugehen können, serviceorientiert sein. Auch soziale Kompetenzen sollte man da mitbringen. Wir wollen motivierte Azubis, die sich auch trauen, eigene Ideen auszusprechen und mitzugestalten.

Sind diese Skills wichtiger als ein Zeugnis mit Einser-Durchschnitt?

(Lacht) Ich hatte auch kein Einser-Abitur. Noten sind für den Berufserfolg nicht wirklich valide und bedeuten dementsprechend nicht automatisch, dass ich einen guten Job machen werde. Es ist auch legitim, wenn man ein Fach hat, das einem nicht so liegt.  Wichtig ist vielmehr, wie tickt dieser Mensch? Brennt er für unser Unternehmen und seinen Job?  Oft ist es dann auch so, dass die Noten unserer Azubis in der Berufsschule besser sind als vorher in der Schule. Weil man weiß, wofür man sich anstrengt. 

Wenn ich mich als Jugendlicher nun entschlossen habe, mich bei Westfalen auf einen Ausbildungsplatz zu bewerben: Auf was müssen sich Interessenten einstellen? Gibt es noch die klassische Bewerbungsmappe und das angstbesetzte Assessmentcenter? 

Die vor einigen Jahren noch übliche Papierbewerbung gibt es bei uns generell nicht mehr. Wie in vielen anderen Unternehmen läuft bei Westfalen alles online. Die Bewerber registrieren sich auf unserem Bewerbermanagementsystem und laden dort Anschreiben, Lebenslauf und Zeugnisse hoch, gerne auch Bescheinigungen über Praktika oder ehrenamtliches Engagement. Ein Bild ist nicht zwingend notwendig, das muss jeder für sich selbst entscheiden. Sobald die Bewerbung eingegangen ist, checken wir ob das passt und melden uns meist nach ca. zwei bis vier Wochen zurück. Dann laden wir zu einem persönlichen Gespräch ein. Assessment-Center machen wir derzeit nicht. Je nach Berufsbild sind normalerweise nur die Ausbildungsbeauftragten/Ausbilder*innen des jeweiligen Bereichs und ich als Ausbildungsleitung dabei.

Und wenn ich dann die Zusage habe…Was sind die konkreten Inhalte einer Ausbildung bei Westfalen? Kaffeekochen gehört ja wahrscheinlich nicht mehr dazu… 

(Lacht) Wir haben Kaffeevollautomaten. Da muss niemand Kaffee kochen. Aber im Ernst: Wir wollen Mitarbeitende haben, die selbst denken. Nur Ablage machen oder Kaffeekochen wäre da auch für uns wenig sinnvoll. Ziel ist es, dass die Auszubildenden – nach einer Einarbeitungsphase - möglichst schnell ins Tagesgeschäft eingebunden und Teil des Teams werden. Natürlich gehört auch dazu mal etwas einzuscannen. Aber das gehört auch bei mir dazu.

Was bietet Westfalen darüber hinaus für die Azubis?

Sie erwartet bei uns zum einen ein wirklich gutes Gehalt, das durch den Chemietarif geregelt ist. Zum anderen zusätzliches Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld und ein Zukunftsbetrag, der ausgezahlt wird. 30 Tage Urlaub, eine 37,5 Stunden Woche – das ist nicht bei allen Unternehmen so. Die meisten haben auch die Möglichkeit regelmäßig mobil zu arbeiten und werden dazu von unserer IT gut ausgestattet. Unsere Ausbildungsbeauftragten stehen bei Fragen immer bereit.  Bestandteil der Ausbildung sind verschiedene Schulungsprogramme zu unseren Produkten, aber auch zu Kommunikation und Auftreten. Die Azubis lernen Projektmanagement, in dem sie sich selbständig in Gruppen um soziale Projekte kümmern. Sie haben auch die Möglichkeit Auslandspraktika zu machen oder die Chance für eine Zeit in eine unserer ausländischen Niederlassungen zu gehen und dort mitzuarbeiten. Das unterstützen wir finanziell. Die tolle Azubi-Community habe ich schon angesprochen. Und wir haben auch eine sehr aktive Jugendauszubildenden-Vertretung, die als vertraulicher Ansprechpartner bei möglichen Problemen da ist.  

Und was ist mit einer Zukunftsperspektive nach dem Ende der Ausbildung? Wie hoch sind die Chancen bei Westfalen eine Karriere zu starten?

Die Chancen sind hoch. Bei den Azubis, die einen guten Job gemacht haben und bei uns bleiben möchten, machen wir Vieles möglich. Eine Übernahme ist da unser Ziel. Manchmal kann es natürlich sein, dass nicht genau die Traumstelle in dem gewünschten Team frei ist, dann muss man natürlich ein kleines bisschen flexibel sein. Aber generell kann man bei Westfalen Karriere machen. Dafür gibt es viele tolle Beispiele von ehemaligen Azubis.

Zum Abschluss: Bitte vervollständige diesen Satz: Eine Ausbildung bei Westfalen ist…

…ein wirklich cooler Einstieg ins Berufsleben.

Danke für das Interview!


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